Arbeitskräfteüberlassung oder Werkvertrag: OGH bestätigt seine bisherige Rechtsprechung zur Abgrenzung
Stellt ein Arbeitgeber seine eigenen Arbeitnehmer*innen einem Dritten zur Arbeitsleitung zur Verfügung, liegt Arbeitskräfteüberlassung vor. Schwierigkeiten ergeben sich regelmäßig bei der Abgrenzung von Arbeitskräfteüberlassung und Werkvertrag. Während der EuGH für die Abgrenzung eine Gesamtbetrachtung des Sachverhalts vornimmt, hält der OGH in zwei jüngeren Entscheidungen (OGH 23.10.2020, 8 ObA 63/20b; OGH 17.12.2020, 9 ObA 60/20v) erneut an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Für das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung sei die Erfüllung auch nur eines der im Gesetz genannten Kriterien ausreichend.
Der ersten Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass die Klägerin von ihrem Arbeitgeber im Zuge eines „Rahmen-Werkvertrages“ bei einem anderen Unternehmen (einer Brauerei) eingesetzt wurde. Die Tätigkeit der Klägerin umfasste die Sortierung von Bierflaschen sowie die Reparatur bzw. den Austausch der Schnellverschlüsse. Das dafür erforderliche Werkzeug wurde von der Brauerei bereitgestellt.
Die zweite Entscheidung betraf einen Arbeiter eines Arbeitgebers in den Bereichen der Reinigung, Catering und Sicherheit. Der Kläger wurde für die Abfallentsorgung eines Großkrankenhauses eingesetzt. Die Einschulung der Mitarbeiter*innen erfolgte im vorliegenden Fall grundsätzlich durch eigene Mitarbeiter*innen der Beklagten. Diese entschied auch, wie viele Mitarbeiter*innen für die Abfallentsorgung im Großkrankenhaus eingesetzt werden und erstellte auch deren Dienstpläne. Urlaubswünsche und Krankenstände wurden ebenso der Beklagten bekanntgegeben. Das Krankenhaus gab zwar einen zeitlichen Plan für die Touren vor sowie Vorgaben für einen reibungslosen Ablauf, aber keine Weisungen an die Mitarbeiter*innen der Beklagten. Kontrolliert wurde vom Krankenhaus stets die Arbeitsgeschwindigkeit des Klägers. Das Entgelt wurde zwischen dem Kläger und der Beklagten jeweils im Vorhinein für ein Jahr vereinbart. In Bezug auf Arbeitskleidung erhielt der Kläger vom Krankenhaus bloß schnittfeste Arbeitshandschuhe. Zudem hatten die Mitarbeiter*innen der Beklagten weder Räume noch einen Spind im Krankenhaus zur Verfügung und durften die vorhandenen Duschen nicht benutzen.
In beiden Fällen war strittig, ob es sich um eine Arbeitskräfteüberlassung im Sinne des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) handelte oder ob die jeweiligen Kläger*innen in Erfüllung von Werkverträgen tätig waren.
Für die Abgrenzung von Werkvertrag und Arbeitskräfteüberlassung ist § 4 AÜG maßgeblich. Demnach ist für die Beurteilung „der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhalts“ maßgebend. Nach der gesetzlichen Bestimmung liegt Arbeitskräfteüberlassung insbesondere auch dann vor, wenn Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb des Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen, aber
„1. kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweichendes, unterscheidbares und dem Werkunternehmer zurechenbares Werk herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken oder
2. die Arbeit nicht vorwiegend mit Material und Werkzeug des Werkunternehmers leisten oder
3. organisatorisch in den Betrieb des Werkbestellers eingegliedert sind und dessen Dienst- und Fachaufsicht unterstehen oder
4. der Werkunternehmer nicht für den Erfolg der Werkleistung haftet“.
Nach ständiger Rechtsprechung des OGH liegt eine Arbeitskräfteüberlassung bereits dann vor, wenn auch nur ein einziger der Tatbestände erfüllt ist. Demgegenüber kommt es nach dem EuGH für die Abgrenzung von Werkvertrag und Arbeitskräfteüberlassung auf eine Gesamtbetrachtung an. In beiden Entscheidungen hält der OGH an seiner Rechtsprechung für innerstaatliche Fälle fest: Eine Gesamtbetrachtung würde dem OGH zufolge dem Wortlaut der Bestimmung widersprechen. Bei Vorliegen von nur einem der vier Kriterien handelt es sich demnach nach Ansicht des OGH um Arbeitskräfteüberlassung im Sinne des AÜG. Dies ergebe sich aus dem Wort „oder“ zwischen den einzelnen Kriterien.
Im ersten Fall kam der OGH zum Schluss, dass es sich um eine Arbeitskräfteüberlassung handelt, da die Klägerin ihre Arbeit mit Material und Werkzeugt der Brauerei erledigt und kein abweichendes unterscheidbares, der Beklagten zurechenbares Produkt vorliegt.
Im zweiten Fall prüfte der OGH die Kriterien einzeln durch, verneinte aber das Vorliegen auch nur eines dieser, weshalb er von einem Werkvertrag ausging. Der Kläger konnte sich daher nicht auf den Kollektivvertrag für Arbeitskräfteüberlasser stützen.
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