Nichtvorliegen der Voraussetzungen von Elternteilzeit - Feststellungsklage des Arbeitgebers zur Abwehr erforderlich
Anhand von zwei Entscheidungen zum Anspruch auf Elternteilzeit wird ersichtlich, wie sich Arbeitgeber richtig zur Wehr setzen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen auf Elternteilzeit nicht vorliegen.“
Nach § 15h Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MSchG) hat eine Dienstnehmerin bis maximal zum Ablauf des siebenten Lebensjahres oder einem späteren Schuleintritt des Kindes Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung , wenn 1. das Dienstverhältnis zum Zeitpunkt des Antritts der Teilzeitbeschäftigung ununterbrochen drei Jahre gedauert hat, 2. die Dienstnehmerin zu diesem Zeitpunkt in einem Betrieb mit mehr als 20 Dienstnehmer*innen beschäftigt ist und 3. die wöchentliche Normalarbeitszeit mindestens 20 vH reduziert wird und 12 Stunden nicht unterschreitet.
In der ersten Entscheidung (Arbeits- und Sozialgericht Wien (ASG) 30 Cga 72/20g) teilte die Dienstnehmerin, eine Flugbegleiterin, ihrem Dienstgeber mit, dass sie im Anschluss an die Geburt ihres Kindes Elternteilzeit im Ausmaß von 50% verteilt auf drei Arbeitstage gemäß den Bestimmungen des § 15h MSchG in Anspruch nehme. Der Dienstnehmer erklärte dem Antrag auf Elternteilzeit in der Form aus betrieblichen Gründen nicht nachkommen zu können und unterbreitete einen Gegenvorschlag. Da keine Einigung über die Lage der Arbeitszeit erzielte werden konnte, brachte der Dienstgeber schließlich Klage auf Antritt der Elternteilzeit zu dessen Bedingungen ein.
Im Verfahren bestritt der Dienstgeber vor folgendem Hintergrund dann, dass überhaupt ein Anspruch auf Elternteilzeit nach § 15h MSchG bestehe: Über den ehemaligen Dienstgeber der Flugbegleiterin war ein Insolvenzverfahren eröffnet worden, der aktuelle Dienstgeber übernahm die Gesellschaft aus dem Insolvenzverfahren und schloss mit der Dienstnehmerin einen Dienstvertrag, wonach sie (weiterhin) als Flugbegleiterin eingesetzt wurde. Gemäß einer Bestimmung aus diesem Dienstvertrag, wurden die beim ehemaligen Dienstgeber geleisteten Dienstzeiten als Dienstzeiten beim aktuellen Dienstgeber anerkannt.
Der aktuelle Dienstgeber behauptete nunmehr, es bestehe gar kein Anspruch der Dienstnehmerin auf Elternteilzeit, da sie noch nicht drei Jahre im Unternehmen beschäftigt gewesen sei. Die Vordienstzeiten beim ehemaligen Dienstnehmer seien nämlich trotz der vertraglichen Anrechnungsbestimmung nicht zu berücksichtigen und damit die Voraussetzung einer 3 Jahre ununterbrochenen Beschäftigung nicht erfüllt. Der Dienstgeber argumentierte, dass es sich im vorliegenden Fall nicht etwa um eine Wiedereinstellungszusage nach einem unterbrochenen Arbeitsverhältnis beim selben Dienstgeber handle, sondern um einen gänzlich neuen Dienstgeber. §15h MSchG beziehe sich ausdrücklich auf Dienstzeiten beim Dienstgeber und die vertraglich vereinbarte Anrechnung könne sich daher nicht auf die für den Elternteilzeitanspruch erforderliche Dienstzeit beziehen.
Dieser Ansicht erteilte das ASG eine klare Absage und folgte der Argumentation der Dienstnehmerin; es könne kein Zweifel daran bestehen, dass die vertraglich vereinbarte Anrechnung der Dienstzeit auch in Hinblick auf den Anspruch auf Elternteilzeit gelte. Zudem hält das ASG fest, dass der Dienstgeber den Anspruch auf Elternteilzeit insofern selbst anerkannt habe, als er mit seiner Klage entsprechend dem Verfahren nach dem MSchG nicht gegen den Anspruch auf Elternteilzeit per se vorging, sondern inhaltlich gegen die von der Dienstnehmerin bekanntgegebene und gewünschte Lage der Arbeitszeiten (dies setze einen bestehenden Anspruch bereits voraus). Auch das Argument des Dienstnehmers, die Klage sei nur aus Vorsichtserwägungen eingebracht worden, vermochte daran nichts ändern. Da somit sämtliche Voraussetzungen erfüllt waren, bestätigte das ASG den Anspruch der Dienstnehmerin auf Elternteilzeit zu den von ihr vorgeschlagenen Bedingungen.
In einer anderen Entscheidung (Arbeits- und Sozialgericht Wien 1 Cga 108/20p) war die Arbeitgeberseite erfolgreicher. Ihr lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Dem Dienstnehmer wurde vom Dienstgeber mitgeteilt, dass seine Position im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen wegfallen würde. Die dem Dienstnehmer ersatzweise angebotene, höhere Position auf Konzernebene lehnte der Dienstnehmer ab. Kurz darauf, konkret 2 Tage später, teilte der Dienstnehmer dem Dienstgeber mit, dass er Anspruch auf Elternteilzeit gemäß § 8 Väter-Karenzgesetz (VKG) geltend mache. Ab dieser Bekanntgabe, Elternteilzeit in Anspruch nehmen zu wollen, bestand aus Sicht des Dienstnehmers der gesetzlich vorgesehene besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz gemäß § 8f VGK, wonach eine Kündigung nur mehr nach vorheriger Zustimmung durch das Gericht möglich ist.
Der Dienstgeber brachte in der Folge Klage auf Feststellung ein, dass aufgrund des missbräuchlichen Elternteilzeitwunsches des Dienstnehmers kein gesetzlicher Kündigungs- und Entlassungsschutz bestehe. Er argumentierte, dass im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Elternteilzeit bestehe, da der Dienstnehmer die Elternteilzeit nicht zur Kinderbetreuung benötige - die Frau des Dienstgebers sei nicht berufstätig -, sondern aufgrund der Information über den Wegfall seiner Position lediglich seinen Arbeitsplatz absichern wolle.
Der Dienstnehmer gab an sich entschlossen zu haben, einen Tag pro Woche mit seiner Tochter zu verbringen. Der Wegfall seiner Position sei darüber hinaus noch nicht konkret bekannt, sondern nur angedacht gewesen. Er gestand allerdings ein, dass ihm die kündigungs- und entlassungsschutzauslösende Wirkung der Bekanntgabe der Elternteilzeit bekannt wäre.
In seiner Entscheidung führte das ASG zunächst aus, dass eine Klage des Dienstgebers, wonach ein*e Dienstnehmer*in nicht berechtigt sei, Elternteilzeit anzutreten, jedenfalls zulässig sei. Demnach bestehe auch ein negatives Feststellungsinteresse, dass kein Anspruch auf Elternteilzeit zustehe und somit auch kein besonderer Kündigungs- und Entlassungsschutz nach § 8 VKG bestehe.
Weiters hielt das ASG fest, dass der Zweck der Elternteilzeit ganz eindeutig darin liege, der* Dienstnehmer*in ausreichend Zeit zur Kinderbetreuung zu gewähren. Für einen Anspruch auf Elternteilzeit ist daher – neben den gesetzlichen Voraussetzungen in § 15 MSchG bzw. § 8 VKG – zusätzliche Voraussetzung, dass die Elternteilzeit oder die Änderung der Lage der Arbeitszeit aus dem Grund begehrt wird, weil in der bisherigen Beschäftigung nicht ausreichend Zeit für die Kinderbetreuung vorhanden wäre. Das heißt, die gewünschte Elternteilzeit muss erforderlich sein, um der Betreuung des Kindes zu gewährleisten und sicherzustellen.
Im konkreten Fall gelang es dem Dienstnehmer nicht, glaubhaft zu begründen, dass nur die gewünschte Änderung der Arbeitszeit die erforderliche Betreuung des Kindes sicherstelle. Laut dem ASG sei es zwar nachvollziehbar, dass sich der Vater wünsche, einen Tag pro Woche mit der Tochter zu verbringen. Da die Betreuung aber an sämtlichen Tagen der Woche durch die Frau des Dienstnehmers gewährleistet sei, lägen die Voraussetzungen nicht vor. Das ASG entschied, dass kein Anspruch auf Elternteilzeit im Sinne des VKG und somit auch kein Kündigungs- und Entlassungsschutz für den Dienstnehmer bestehe.
Anhand dieser zwei Entscheidungen wird ersichtlich, dass es für die Praxis wesentlich ist, das Klagebegehren entsprechend konkret und richtig zu formulieren. In der ersten Entscheidung implizierte das Gericht aufgrund der Klagebegehrens, dass der Anspruch auf Elternteilzeit vom Dienstgeber bereits anerkannt wurde, wodurch jede Argumentation in Richtung Nichtbestehen des Elternteilzeitanspruchs ausgeschlossen wurde. Im zweiten Fall hingegen konnte der (missbräuchliche) Elternteilzeitanspruch erfolgreich abgewehrt werden.
Hinweis: Dieser Blog stellt lediglich eine generelle Information und keineswegs eine Rechtsberatung von Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH dar. Der Blog kann eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen. Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH übernimmt keine Haftung, gleich welcher Art, für Inhalt und Richtigkeit des Blogs.